Teamarbeit

Arbeiten in Großen Teams

1. Entscheiden und Realisiern unter Einbindung vieler Personen

Die Willensbildung in Organisationen, und im engeren Sinne die Entscheidungs- und die Konsensfindung, ist längst nicht mehr eine Frage weniger Personen. In vielen Situationen ist die Einbindung vieler Personen in wesentliche Entscheidungen notwendig. Grund dafür ist die fortschreitende Spezialisierung und damit die Zunahme von Abhängigkeiten, nicht nur in Organisationen, sonderen zunehmend auch zwischen Organisationen.

1.1 Zunehmende Arbeitsteilung führt zu Reduktionismus und Umsetzungsschwäche

Spezialisierung hat den Vorteil tieferer Einblicke und präziseren Wissens innerhalb eines Aktivitätsfeldes. Sie führt zu Fokussierung und Konzentration und wirkt dadurch Kompetenz- und Produktivitätsteigernd. Sie bringt aber die Gefahr der reduktionistischen Betrachtung mit sich. Ein Spezialist sieht die Welt eben in der speziellen Optik seines Fachgebietes und beurteilt sie danach. Problemlösungen sind aber nicht immer nur in einem Fachgebiet zu finden, vielmehr ist auch der Beitrag von Fachleuten aus anderen Bereichen notwendig um eine Situation in alles Aspekten zu erfassen und dann auch erfolgreich zu bewältigen.

Beispiele von Problemlösungen:

  1. Vorbereiten von Entscheidungen
    Wesentliche Entscheidungen werden normalerweise von einer Person getroffen – derjenigen, die auch die Veratwortung trägt. In den meisten Fällen werden sie von einer größeren Anzahl an Personen vorbereitet. Dies ist aus zwei Gründen notwendig:
    – Problemstellungen und Herausforderungen sind häufig zu komplex, als dass ein Einzelner genügend Informationen und Erfahrungen hätte. Es genügt oft nicht, nur eine zweite oder dritte Meinung zu hören. Das Problem muss von den unterschiedlichsten Blickwinkeln betrachtet werden.
    – Die Umsetzung der Entscheidung sollte bereits in der Entscheidungsvorbereitung eingebaut sein. Die frühe Einbeziehung von Betroffenen und Schlüsselpositionen (und damit auch deren Interessen) in die Willensbildung ist eine Voraussetzung dafür, dass Entscheidungen realisiert werden.
  2. Fusionen und Reorganisation
    Die jüngere Zeit der Wirtschaft ist geprägt von einer grossen Anzahl von Organisationszusammenschlüssen. Innerhalb kürzester Zeit müssen Synergiepotentiale realisiert werden, und das mit zwei Gruppen von Führungskräften, Kulturen, unterschiedlichen Vergangenheiten und Interessen. Das Wichtigste ist dann, innerhalb kürzester Zeit einen Konsens zu entwickeln.
  3. Projektmanagement
    Für die Einführung einer neuen IT-Applikation in 20 Filialen, müssen neben den zukünftigen Nutzern die IT-Spezialisten der Zentrale, die externen Berater und die Projektleitung und damit schnell einmal 40 Personen eine gemeinsame Sichtweise zum Projekt entwickeln. Die Kosten eines Projektes werden schliesslich zum wesentlichen Teil in der Anfangsphase bestimmt, wenn es darauf ankommt, die wesentlichen Anforderungen der verschiedenen Anspruchsgruppen zu berücksichtigen, um Leerläufe und Fehlinvestitionen zu vermeiden.
  4. Neuausrichtung / Change
    Neues bringt auch immer unbekannte Risiken mit. Daher sind die Kräfte innerhalb der Organisationen gross, die sich vor Veränderungen schützen wollen. Innovations- und Veränderungsprozesse haben nur dann eine Chance, wenn die Schlüsselpersonen ein gemeinsames und klares Verständnis sowie ein starkes Commitement zum Vorhaben entwickeln. Kompromisse sind in solchen Situationen zwar schnell zu erreichen, ein Konses hingegen erfordert eine gründliche Auseinandersetzung mit verschiedenen Meinungen, Ansichten und Interessen.

1.2 Verteiltes Wissen zu Lösungen integrieren

Die Managementkybernetik befasst sich mit dem Problem der Steuerung von Ganzheiten im Gegensatz zu reduktionistischen Ansätzen. Der Engländer Prof. Dr. Stafford Beer, hat sich schon im zweiten Weltkrieg mit den systematischen Betrachtungsweisen und mit der Integration von Spezialistenwissen auseinandergesetzt. [Stafford Beer: Beyond Dispute. The Invention of Team Syntegrity. Wiley Verlag 1994]

1.3 Anforderungen an den integrierenden Prozess

  1. Berücksichtigung der Kriterien für gute Teamarbeit:
    – Eine durchdachte Arbeitsteilung (oder Thementeilung)
    – Extreme Disziplin (Zeitablauf, Rollenzuteilung)
    – Keine Gruppendynamik auf Kosten von Resulaten
  2. Grad der Informationsvernetzung:
    Eine Gruppe von 30 Personen weist total 870 mögliche Beziehungen auf. Die Frage ist, wie diese Beziehungen bestmöglich genutzt werden können, um die Nutzung und Konvergenz der unterschiedlichen Sichtweisen sicherzustellen.
  3. Wirkungsgrad der Zusammenarbeit:
    Schlagworte sind hier Effektivität (Die richtigen Themen müssen bearbeitet werden) und die Effizienz (Nutzung von Synergieeffeketen). Wesentlich ist die richtige Architektur der Zusammenarbeit.

Die ideale Anzahl an beteiligten Personen liegt zwischen 20 und 30 um ausreichend viele Sichtweisen einzubeziehen. Das sind mehr als die 7 Personen eines Projektteams, aber auch weniger als die z.B. 100 Personen die auch noch etwas zu sagen hätten.

Damit 30 Personen wirksam zusammenarbeiten können, ist eine wissenschaftliche Grundlage nötig. Eine offene Debatte über alle resuliert normalerweise im Chaos, dominiert durch einige wenige. Verlässliche Mathematische Grundlagen können hier wirksam eingreifen und einen Weg zeigen zwischen „einseitiger Diktatur“ und „Chaos-Demokratie“.

2. Die Architektur wirksamer Integration von Wissen

Man kann eine natürliche Struktur (geodätische Dome) auch auf ein soziales System anwenden. Auch eine Gruppe von Personen sucht nach der Kompression ihrer verteilten Auffassung in eine geschlossene Aussage, die mehr als nur einen Konses im Sinne des kleinsten gemeinsamen Nenners darstellt, ist aber auch gleichzeitig einer Zugspannung ausgesetzt, die überhaupt erst Argument und Gegenargument hervorruft.

Diese Strukturierung der Zusammenarbeit wurde 1994 von Stafford Beer entwickelt und nennt sich „Team Syntegrity“ (c). Die Durchführung eines so strukturierten Arbeitsprozesses nennt Beer eine „Syntegration“ und wird üblicherweise in einer Klausur durchgeführt und dauert ca. 3,5 Tage.

Abbildung: Der Team Ikosaeder: Die Eckpunkte stehen für Themen (Aspekte des Generalthemas, die Kanten stehen für Personen)
Abbildung: Der Team Ikosaeder: Die Eckpunkte stehen für Themen (Aspekte des Generalthemas, die Kanten stehen für Personen)

Der Ikosaeder weist zwölf Eckpunkte aus, die für einzelne Themen stehen, und die die verschiedenen Aspekte einer Ausgangsfrage darstellen. Jedem Thema wird dadurch auch eine Farbe zugeordnet. Die Unterteilung in zwölf Aspekte stellt eine ausreichende Differenzierung dar und ist gleichzeitig eine Anzahl, die der einzelne Teilnehmer mit verfolgen und mit beeiflussen kann. Bei mehr als zwölf Themen verliert man den Überblick – Fraktionsbildung entsteht, die Teilnehmer bilden Gruppen, die sich nur mehr für einzelne Aspekte der Problemlösung interessieren, und das sollte vermieden werden.
Des Ikosaeder weist zudem 30 Kanten auf, welche auch für die 30 Teilnehmer stehen, die damit eine persönliche Position in dieser Struktur einnehmen und von der heraus er die zwölf Themen mit beeinflusst. Aufgrund dieser Anordnung der Teilnehmer wird die Information selbstregulierend über alle Themen hinweg verteilt.

Ziel der Methode ist es, kürzeste Informationsdistanzen zwischen allen Teilnehmern und somit eine optimale Vernetzung zu erreichen. Die Symetrie der Struktur führt zu einer optimalen Demokratie, da keinerlei Marginalisierung irgend eines Teilnehmers entsteht.

3. Ablauf einer „Syntegration“

Eine Syntegration beginnt mit der Bestimmung einer Ausgangsfrage, des Generalthemas. Danach wird bestimmt welche Teilnehmer aufgrund ihres Wissens, ihrer Erfahrung und ihrer Funktion zur Lösung beitragen können.

Die Agenda der Syntegration, also die Festlegung der zwölf Teil-Themen, die als Aspekte diskutiert werden sollen, ist nicht vorbestimmt. Die Teilnehmenden legen selbst fest, über welche zwölf Themen gesprochen werden soll. Dies ist wichtig, damit nicht durch die Inhalte einer vorweg festgelegten Agenda die Resultate der Syntegration vorbestimmt werden. Zudem stellt dies das Engagement der Teilnehmenden sicher, da man sich dann mit den Themen auseinandersetzt die einem persönlich wichtig sind. Die Themenbestimmung passiert in einem Prozess der aus mehreren Phasen besteht:

  • Themen Brainstorming – Die Erföffnungsfrage in allen Variationen auszuleuchten.
  • Marktplatz – Die potenziellen Themen werden diskutiert und verhandelt.
  • Reduktion – Die zwölf wichtigsten Themen werden ausgewählt.
  • Allokation – Zuteilung der Teilnehmer entsprechend ihrer persönlichen Stärken.

Durch einen computerunterstützen Algorithmus wird nun die Struktur des Systemes optimiert und endgültig festgelegt. Damit ist die erste Phase abgeschlossen, in der zweiten Phase findet nun eine Abfolge von Meetings nach genau festgelegten Muster statt, wobei zu jedem der 12 Themen insgesamt drei Meetings stattfinden. In diesen Meetings nimmt jeder Teilnehmer verschiedene Rollen wahr:

  • Teammitglied in zwei Themen
  • Kritiker in zwei Themen
  • Beobachter in vier Themen

Pro Meeting setzen sich nun die fünf Teammitglieder eines Themas (symbolisiert durch eine Farbe) zusammen an einen Tisch, um es zu explorieren und zu diskutieren. Jedes Teammitglied ist auch noch bei einem zweiten Thema Teammitglied (sh Abbildung – jede Kante hat zwei Farben), womit es die direkte Informations-Verbindung zu diesem Thema herstellt. Ein Meeting dauert 60 Minuten und endet mit einem Fazit des Teams zur Diskussion.

Abbildung: Die fünf Teammitglieder des roten Themas
Abbildung: Die fünf Teammitglieder des roten Themas

In der zweiten Reihe im gleichen Meeting, sitzen die fünf Kritiker der Gruppe. Ihre Aufgabe ist es, während des Meetings zweimal ein etwa fünfminütiges Feedback an die Gruppe zu geben (zu den Inhalten, oder auch Verlauf der Diskussion). Jeder der fünf Kritiker ist auch noch bei einem zweiten Thema Kritiker und selber, wie jeder andere Teilnehmer auch, bei zwei Themen Teammitglied und bei vier Themen Beobachter, womit auch die Informationsverbindung zu anderen Themen sichergestellt ist.

In der dritten Reihe sitzen die Beobachter. Sie kommen und gehen während des Meetings wie es ihnen beliebt. Sie dürfen sich nicht einmischen, sondern tragen Interessantes in ihre eigenen Teams, bei denen sie Mitglied oder Kritiker sind.

Der Gruppe steht ein Moderator zur Verfügung, der auf Flipcharts die Diskussion der Mitglieder und die Feedbacks der Kritiker mitschreibt. Er ist es auch, der nach dem Meeting das Fazit der Teams als Statement auf ein bis zwei Seiten niederschreibt. Die Moderatoren nehmen keinen inhaltlichen Einfluss auf die Themen und ermöglichen somit den Teammitgliedern einen grossen Freiraum für Denkarbeit. Jedes Statement der 12 Teams wird an alle 30 Teilnehmenden verteilt.

Zur gleichen Zeit wie das rote Team, trifft sich auch das weisse Team, ebenfalls mit fünf Mitgliedern, fünf Kritikern und einigen Beobachtern. Innerhalb des Ikosaeder liegen diese Teams geometrisch genau gegenüber. Die zwei Teams sind also genau simultan am Arbeiten. Nach Rot und Weiss beginnen die nächsten beiden Teams (Schwarz und Hellblau). Dies geht so weiter bis jedes Thema von den entsprechenden Teams ein erstes Mal bearbeitet wurde.

Abbildung: Reihenfolge der Meetings zu den 12 Themen. Simultan finden immer zwei Meetings statt.
Abbildung: Reihenfolge der Meetings zu den 12 Themen. Simultan finden immer zwei Meetings statt.

Da es immer die gleichen Personen sind, die in verschiedenen Themen in verschiedenen Rollen arbeiten, nehmen sie gehörte Ideen, Argumente und Vorgehensweisen aus dem einen Thema ins Nächste mit. So kommen neue Aspekte in die Diskussionen, geraten aber nicht ausser Kontrolle, da immer nur fünf Personen diskutieren.

Der wesentliche Effekt einer Syntegration beginnt sich am zweiten Tag einzustellen. Jedes Team trifft sich nun in der gleichen Zusammensetzung wie am Vortag ein zweites mal und arbeitet dort weiter. Die Vernetzung des Wissens, Ideen und Argumente steigt weiter, weil jedem Team und desen Mitgliedern nach dem zweiten oder dritten Treffen sämtliche Informationen aus dem anderen Teams aufgrund der Struktur des Ikosaeders zur Verfügung steht.

Nach der dritten Iteration sind ca. 90% der relevanten Informationen zur Ausgangsfrage über alle Teilnehmer verteilt und die Gruppe hat ihre bestmögliche Lösung gefunden.

Am Abend des dritten Tages liegt dann das Schlussstatement vor, das dokumentierte Resultat. Die Schlussstatements aller Teams passen aufgrund der Selbstregulierenden Koordination zusammen wie einzelne Puzzleteile und ergeben eine abgerundete Antwort auf die Ausgangsfrage. Das gesamten Statements sind aber nur ein Resultat einer Syntegration und ergeben in den meisten Fällen einen konkreten Massnahmenplan.

Ein weiteres Ergebnis ist die Erfahrung des gegenseitigen Lernens und Verstehens aller Beteiligten. Man verlässt eingesessene Denkmuster und blickt über den Tellerrand hinaus, und versteht nun auch Sichtweisen der Kollegen.
Ein drittes Resultat ist die gemeinsame Sichtweise und das Commitment der Gesamten Gruppe.

Als letztes Resultat ist die Netzwerkbildung die unter den Teilnehmenden stattgefunden hat. Die Syntegration ist eine Herausforderung für jeden Teilnehmer. Sie funktioniert wie ein Druckkochtopf für Ideen, die innerhalb kurzer Zeit die teilnehmenden Personen zusammenwachsen lässt.
Für den Folgeprozess einer Syntegration werden die schriftlichen Resultate nochmals in einer Übersicht dargestellt und so als Entscheidungsvorlage der Geschäftsleitung vorgelegt. Ein Controlling der Massnahmenrealisierung wird aufgesetzt, um die Umsetzung der Resulate sicherzustellen.

[Quellen:  Prof. Dr. F. Malik: Team Syntegrity (R) – Der kybernetische Weg zur Willensbildung in Organisationen.  Management on Malik, St. Gallen, Mai 2001;    Stafford Beer: Beyond Dispute. The Invention of Team Syntegrity. Wiley Verlag 1994 ]

Schreibe einen Kommentar

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.